Geschichte besteht aus Geschichten

           

                                                Apokalypse       -        ein oft  gebrauchter Begriff.

 

                                                                                                                                              Bedeutet er die Endzeit?

 


                                                 Zur Apokalypse eine Betrachtung:

 

                                                   Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Ehepaares Trimondi        Danke!

 

 

                                                                          Komparative Studien zum Fundamentalismus

 

Die Apokalyptische Matrix

Ursache im Krieg der Religionen

 

 

© Victor und Victoria Trimondi

  

 

Ein kurzer Blick auf die Schlagzeilen seit Anfang des Jahres (2006) zeigt, wie weit sich Politik und Religion schon

miteinander verfilzt haben:

 

Tony Blair erklärte im britischen Fernsehen, er sei dem Weg Gottes gefolgt, als er sich für einen Krieg gegen den Irak

entschied;

dort sprengen verschiedene muslimische Sekten gegenseitig ihre Moscheen in die Luft; weltweit tobte ein aggressiver,

massenhafter Aufstand islamischer Extremisten gegen die im Westen veröffentlichten Mohammed-Karikaturen;

 

in Nigeria und der Türkei wurden Christen in diesem Zusammenhang getötet und christliche Kirchen zerstört;

die fundamentalistische Hamas, deren Grundsatzerklärung die Vernichtung des jüdischen Staates einfordert,

übernahm die Regierungsbildung in den palästinensischen Autonomiegebieten;

 

der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinedschad spricht Israel das Existenzrecht ab und kündigt vor der

UNO Vollversammlung das Erscheinen des schiitischen Messias (12. Imams) an;

 

die extremistische jüdische Siedlerbewegung tritt unter der Führung Benjamin Netanjahus in eine neue Phase der

Radikalisierung;

in Varanasi (Indien) löst die tödliche Bombe in einem Hindu-Tempel den alten Konflikt zwischen der religiösen Rechten

des Landes und den Muslimen wieder auf; der christliche Fundamentalismus ist in den USA zu einem politischen

Machtfaktor geworden, der bis hinein ins Oval Office reicht, und seine Ideologien sind dabei, in Europa Fuß zu fassen;

mehr oder weniger direkt drohen religiöse Terroristen und westliche Staatschefs mit dem Einsatz von Nuklearwaffen;

 

ein Militärschlag gegen den Iran wird als letzte Option nicht ausgeschlossen –

 

all diese jüngsten Ereignisse dienen heute Hunderten Millionen von Menschen aller Glaubensrichtungen als Indizien

für einen „Kampf der Kulturen“ bzw. einen „Krieg der Religionen“.

 

Bisher wurden diese beiden umstrittenen Begriffe von Politikern, Experten und Religionsvertretern bewusst und

mit guten Absichten heruntergespielt. Doch die Vorkommnisse der letzten Wochen haben die Schleusen für eine Debatte

über den „Krieg der Religionen“ mit Gewalt aufgestoßen.

Talkshows, Politkommentare, TV-Dokumentationen und Print-Medien sprechen das Thema heute unverhohlen an.

 

Zweifellos ist die Religion seit Ende des 20. Jahrhunderts entgegen allen Erwartungen zu einem planetaren

soziokulturellen Phänomen und zu einem mächtigen Mitspieler auf der Bühne der Politik geworden.

 

Parallel zur ökonomischen, kommunikativen und politischen Globalisierung sind wir in allen Kulturen und Ländern mit

einer rasant sich ausbreitenden Hinwendung zur Glaubensinhalten konfrontiert.

 

Für diese globale Renaissance des religiösen Bewusstseins ist nicht zuletzt der Zusammenbruch der kommunistischen

und vorher der faschistischen Staaten ursächlich.

 

Beide totalitären Systeme waren aufs engste mit Visionen und Utopien von (in ihrem Sinne) idealen Gesellschaften verbunden.

 

An deren Stelle sind nun die endzeitlichen Heilsversprechungen der Religionen von einer vollkommenen Welt getreten:

 

statt eines sozial-revolutionären Führers erwarten nun Millionen das Erscheinen eines militanten Messias,

der sie mit Gewalt ins Paradies bombt.

 

Mittlerweile hat dieser „moderne“, weltweit agierende Fundamentalismus eine eigene „politische Theologie“ entwickelt,

die je nach religiöser Ausrichtung variiert, die aber im Kern sehr ähnliche Ziele mit verblüffend ähnlichen Mitteln verfolgt.

 

Worin besteht nun das übergreifende Dogma dieser „politischen Theologie“, welches Islamisten,

fundamentalistische Christen, religiöse Zionisten und radikalisierte Hindus miteinander teilen, obgleich sie

sich gegenseitig bekriegen?

 

Sie alle machen keinen Unterschied mehr zwischen Religion und Politik; sie alle glauben daran, dass ein Weltkrieg

zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen kurz bevorstehe oder schon im Gange sei;

 

sie alle haben ein eschatologisches Geschichtsverständnis.

 

Man kann ihre gemeinsame Vorstellungswelt als apokalyptische Matrix bezeichnete, denn es ist ein

messianisch-apokalyptisches Selbstverständnis, das in letzter Instanz hinter dem militanten Fundamentalismus

jeglicher Couleur wirksam ist. In allen Religionen drückt sich diese apokalyptische Matrix erst einmal in den

Prophezeiungen ihrer Heiligen Texte vom Ende der Welt und dem Auftritt ihres jeweiligen Erlösers aus.

 

Bei den Juden vor allem in den Büchern der Propheten, insbesondere im Buch Daniel,

 

bei den Christen insbesondere in der Offenbarung des Johannes, bei den Muslimen in Passagen aus dem Koran

und in zahlreichen Hadiths (Sprüchen des Propheten Mohammed),

 

bei den (lamaistischen) Buddhisten im Kalachakra-Tantra und bei den Hindus in der Bhagavadgita, dem Vishnu Purana

und dem Ramayana.

 

Die apokalyptischen Matrix hat die Form eines „Dramas“ vom Untergang der Welt und ihrer Neuerstehung.

 

Sie weist in allen Glaubensrichtungen die folgenden gleichen Inhalte, Handlungsabläufe und Zielrichtungen auf:

 

1.    Die Geschichte der Menschheit ist der irdische Ausdruck eines kosmischen Krieges zwischen Gut und Böse,

       zwischen Licht und Finsternis. In diesem universellen Kampf stehen sich Gott und Satan, Engel und Teufel,

      Oberwelt und Unterwelt als unversöhnliche Feinde gegenüber.

      Wenn sich die Weltgeschichte der apokalyptischen Entscheidungsschlacht nähert, ist jeder Mensch gezwungen,

      sich für oder gegen Gott zu entscheiden.

 

2.    Die gegenwärtige Periode in der Menschheitsgeschichte ist gekennzeichnet durch die zunehmende

       Herrschaft des Bösen, die sich ausdrückt im sittlichem Verfall und sexuellen Exzessen, in Ungläubigkeit,

       Korruption, Krieg, Gewalt, Ungerechtigkeiten, Verbrechen, Seuchen, Naturkatastrophen und 

       Wirtschaftskrisen.          Die Gegenwart, so wie sie ist, wird radikal abgelehnt.

 

3.      Ein Dämon, der Satan oder dessen Stellvertreter, ergreift die Gewaltherrschaft über diese Welt der

         Niedertracht.

         Mit Vorspiegelungen, Betrug, Hinterhältigkeit, Manipulation, Terror und Mord zwingt er einen

        Großteil der Menschheit unter sein Kommando und wird zum Weltenherrscher.

        Dann versucht er nach dem Throne Gottes zu greifen.

 

4.      Kurz bevor der satanische Welt-Imperator alle seine Ziele erreichen kann, inkarniert sich im letzten

         Augenblick das Gute in der Gestalt eines „Militanten Messias“, der als Anführer einer

        „kosmischen Armee“ aus Menschen und Überwesen (Engeln, Göttern, Heroen) mit extremer Härte,

         mit Zorn und mit gnadenloser Grausamkeit gegen die „Koalition des Bösen“, den Teufel und sein

         Pandämonium antritt und diese dann endgültig vernichtet. Beide Parteien kämpfen mit

         allen Arten von Massenvernichtungswaffen und setzen auch Naturkatastrophen und

         Seuchen als Kampfmittel gegeneinander ein.

 

5.      Die Anhänger des „Militanten Messias“ bezeichnen sich als „Gotteskrieger“, die bereitwillig das

         Martyrium auf sich nehmen, um dadurch sofortige „Erlösung“ zu erlangen.

 

6.     Vernichtet werden am Ende alle, die nicht den „wahren“ Glauben haben, erlöst werden dagegen alle

        Rechtgläubigen.

        Diejenigen, welche die apokalyptischen Kriege überleben, müssen sich einem Gericht stellen,

        das die restlichen Rebellen und Ungläubigen zu unsäglichen Höllenqualen verurteilt.

 

7.      Nach seinem triumphalen Sieg über das Böse errichtet der „Militante Messias“ einen weltweiten,

         autoritativen „Gottesstaat“ (eine Theokratie oder eine Buddhokratie) mit dem eigenen Glauben

         als einziger Religion.

 

         Ein totalitärer Staat, in dem alle Gesetze von „Gott“ und nicht von den Menschen erlassen werden,

         in dem die absolute Macht durch ein militantes Priesterkönigtum ausgeübt wird und in dem

         die Frauen eine untergeordnete Rolle spielen, ist das Ziel jeder traditionellen Endzeitvision.

 

         Dieser religiöse Machtstaat wird in den apokalyptischen Schriften als das „Paradies auf Erden“ beschrieben.

 

8.      1000 Jahre (ein Millennium) lang dauert dieses paradiesische „Reich des Guten“.

                                Danach geht es ebenfalls unter und der gesamte Planet Erde wird vernichtet.

 

Die allgemeine Gültigkeit der apokalyptischen Matrix für alle Glaubensrichtungen zeigt jedoch die ganze Absurdität

des messianischen Endzeit-Wahns.

Obgleich sie sich in einen gegenseitigen „Heiligen Krieg“ verstricken und sich in einer Konkurrenz um die Erlangung der

Weltenherrschaft befinden, teilen die Apokalyptiker aller Religionen sehr ähnliche traditionalistische Wertvorstellungen

insbesondere in ihrer konservativen Haltung gegenüber der Geschlechterfrage.

Auch in ihren politischen Visionen ähneln sie sich. Vertreter der amerikanischen Christlichen Rechte, religiöse Zionisten,

revolutionäre Islamisten, Hindu-Fundamentalisten und Dalai Lama Anhänger alle träumen von einer globalen Theokratie

(bzw. Buddhokratie) ihres jeweiligen Höchsten Wesens.

Insofern ist es im eigentlichen Sinne falsch vom „Kampf der Kulturen“ zu sprechen, denn die sich gegenseitig bekriegende

„Kultur-Muster“ decken sich inhaltlich, strukturell und programmatisch in vielen Punkten.

Die „Guten“ und die „Bösen“ im apokalyptischen Welttheater sind einander sich bekämpfende „Brüder“, die vom selben

zerstörerischen dualistischen Geist, wenn auch jeweils mit umgekehrtem Vorzeichen, getrieben werden.

 

Jede religiöse Gruppe, die einen apokalyptischen Krieg befürwortet, ein großes Interesse daran, dass die andere Seite

ebenfalls in das apokalyptische Delirium hineingezogen wird und sich durch dualistische Reizwörter wie Gut und Böse,

Gott und Satan, Heilig und Unheilig artikuliert. Die daraus resultierende gegenseitige Dämonisierung führt

notwendigerweise dazu, dass sich die apokalyptische Matrix parteiübergreifend durchsetzen kann,

um den messianischen Endzeit-Wahn erst richtig anzuheizen.

 

Als zum Beispiel der amerikanische Präsident George W. Bush erklärte, einen Krieg gegen die „Achse des Bösen“ zu führen,

ist er nolens volens in die apokalyptische Falle getreten, die ihm von Osama bin Laden gestellt wurde. „Den ‚Heiligen Krieg’

zu beschwören ist ein Kurs voller Gefahren“ – warnt der amerikanische Soziologie-Professor John R. Hall von der

University of California – „denn seine Rahmenbedingungen geraten mit Begriffen in Konflikt, welche diejenigen von al-Qaida

widerspiegeln.

In der Tat, insoweit die USA und ihre Verbündeten es zulassen, dass al-Qaida die Auseinandersetzung als eine ‚apokalyptische’

definiert, helfen sie al-Qaida in ihren Anstrengungen, ihren Kampf unter den muslimischen Anhängern als ‚Heiligen Krieg’

zu definieren.“

Die Apokalypse der einen Partei potenziert die Apokalypse der anderen.

Der Endzeit-Wahn, der Hass auf das bestehende Leben und auf die Erde kann zu einer self fullfilling prophecy werden.

 

Jetzt schon ist die Zahl der US-Bürger, die Geschichte und Politik aus der Sicht biblischer Prophezeiungen interpretieren,

gigantisch.   

 

Nach einer Umfrage von TIME/CNN spekulieren mehr als ein Drittel aller Amerikaner darüber, in welchem Zusammenhang

aktuelle Nachrichten mit den Weissagungen der Heiligen Schrift stehen. 59 Prozent (!) sind davon überzeugt,

dass wir in einer Zeit leben, in der sich die Ereignisse der Johannesoffenbarung realisieren und ein Viertel glaubt,

der 11. September sei in der Bibel vorausgesagt.

 

Die beiden prominentesten Zeitschriften der Welt Time Magazine und Newsweek widmeten dem Thema

Titelgeschichten:

 

„Apocalypse Now“ (Time Magazine 2002) und „Die neuen Propheten der Offenbarung“ (Newsweek 2004).

Auch die ehrenwerte Washington Post vom 02. Februar 2003 spricht von einem

„aufkommenden Zeitalter der Apokalypse“ und resümiert:

 

„Vor zehn Jahren lasen wir Professor Francis Fukuyama’s Essay und toasteten auf das Ende der Geschichte.

Dann folgte Professor Samuel Huntingtons Nachdenken über den Kampf der Kulturen. Jetzt ist es schlimmer:

Wir werden gewarnt, uns nicht nur Sorgen über den Kampf der Kulturen zu machen,

sondern über das Ende der Zivilisation, wie wir sie kennen, über das Ende, vielleicht, der Welt selber.“

 

Sogar die deutsche Presse zeigte sich angesichts des Doomsday-Trends besorgt.

So berichtete der Spiegel im Jahre 2003:

„Seit den Anschlägen vom 11. September hat die Apokalypse des Johannes, das Buch der Offenbarung,

wieder einmal Hochkonjunktur bei den fundamentalistischen Kirchen Amerikas.“

Mittlerweile aber ist dieser Apokalypsen-Wahn erfolgreich dabei, in Europa, insbesondere auch in Deutschland,

Fuß zu fassen.

Abgelesen werden kann das unter anderem an den Verlagsprogrammen. Bertelsmann/Random House setzt seit

neuesten explizit auf christliche Schriftsteller, darunter auch den extremistischen Doomsday-Autor Tim LaHaye,

der mit seinen messianisch-apokalyptischen Thrillern Millionen von US-Bürger mit dem Endzeit-Virus infiziert hat.

Für viele Kulturkritiker gilt er deswegen als der „mächtigste [christliche] Fundamentalist im heutigen Amerika“:

2002 unterschrieb LaHaye mit der amerikanischen Sektion von Random House (Bertelsmann) einen 42 Millionen Dollar

Vertrag für eine Serie mit dem Titel „Babylon steht auf“ (Babylon Rising) und kassierte damit den größten Vorschuss,

den je ein Schreiber in der Geschichte des modernen Verlagswesens erhalten hat. Hier in Deutschland

vertreiben Blanvalet und Gerth-Medien die LaHaye Bücher.           Beide Häuser zählen zu Bertelsmann.

 

Über das messianische Selbstverständnis des amerikanischen Präsidenten George W. Bush und neuestens auch

über das polit-religiöse Outfit des britischen Premiers Tony Blair hat die internationale Presse ausführlich berichtet.

 

In Europa wird jedoch kaum zur Kenntnis genommen, dass in den USA schon seit vielen Jahren eine intensive,

öffentliche und verbissen geführte Theokratie-Bewegung im Vormarsch ist, welche die Schaffung eines

totalitären christlichen „Gottesstaates“ zum Ziel hat. Langfristig versucht die Christliche Rechte die säkulare US-Gesellschaft

über das Bildungswesen zu Fall zu bringen. Dabei soll ein amerikanischer „Gottesstaat“ nur der Anfang eines

zukünftigen, weltweiten christlichen Imperiums sein. Sozusagen als Vorgeplänkel des kommenden

inner-amerikanischen Kulturkrieges wird von den Fundamentalisten die sogenannte „Darwin-Debatte“ angesehen,

die dabei ist, ebenfalls nach Europa überzugreifen.

Diese Attacke auf die Evolutionslehre ist nur die Spitze eines Eisberges.

 

Daniel Dennet, engagiertester Sprecher der Darwin-Zunft, fasst deswegen in einem Spiegel-Interview die Intentionen

seiner Gegner mit den folgenden zwei Sätzen zusammen: „Sie wollen in Amerika einen Gottesstaat errichten.

Es ist erschreckend, dass viele von ihnen überzeugt sind, das Jüngste Gericht stehe bevor.“

Sogar traditionell eingestellte Theologen wie Jürgen Moltmann sehen im christlichen Fundamentalismus der USA

eine Gefahr, die unseren ganze Planeten in den Abgrund ziehen mag:

 

„Das amerikanische Millennium kann der Untergang der Welt sein. Wie dem amerikanischen Traum der

amerikanische Alptraum und dem amerikanischen Messianismus die amerikanische Apokalyptik auf den Fuß folgen kann.“ –

meint Moltmann.

 

Auch der fundamentalistische Islam orientiert sich an der apokalyptischen Matrix.

 

Der Bericht eines israelischen Geheimdienst-Beobachters aus dem Jahre 2004 sieht die derzeitige gespannte Lage im

Irak als einen „gefährlichen islamisch-messianischen Strudel“.

Die Auseinandersetzung mit den Koalitionskräften sowie zwischen Sunniten und Schiiten werde von militanten

Irakern zunehmend „apokalyptisch“ gedeutet, sagte der Mann.

 

Es seien auch endzeitliche Prophezeiungen, die islamistische Terroristen aus anderen Ländern dazu veranlassten,

in das Land zu gehen, um von dort aus den „Kampf gegen das Böse“ aufzunehmen.

 

Seit Jahren ist die apokalyptische Obsession der Islamisten bekannt, dennoch wird in der Öffentlichkeit kaum

darüber diskutiert:

Osama bin Laden, Ayman al-Zawahiri, Abu Musab al-Zarqawi, Muqtada al Sadr, die Führer der Hamas und der Hisbollah,

sie und viele andere sind Endzeit-Fanatiker, die sich als Erfüllungsgehilfen bei der Errichtung eines weltweiten Kalifats

oder sogar des Jüngsten Gerichts verstehen. „Gott sandte mich mit einem Schwert, um die Stunde des

Jüngsten Gerichts vorzubereiten, dann wenn Gott allein verehrt wird ohne einen anderen neben ihm.“

 

Dieser Spruch des Propheten Mohammeds (in westlicher Sprache meist falsch übersetzt) wird von Osama bin Laden

und anderen Terroristen in ihren „Kriegserklärungen“ immer wieder bemüht. Aber auch die große Masse der

Muslime ist für Endzeit-Ideologien empfänglich.

„Eine Milliarde Muslime werden letztendlich in ein Millennium Szenario hineingezogen, in dem sie die Welt

erobern. […]

Je gewaltsamer und aktiver das apokalyptische Szenario ist, je destruktiver können seine Konsequenzen sein,

gleichgültig wie unrealistisch die Ziele sind. Der Westen kann es sich nicht leisten, diese Phantasien einfach nicht zu

beachten, weil er sie für nicht realistisch hält.“ – erklärt der amerikanische Historiker Richard Landes über den

Doomsday-Glauben in der islamischen Welt.

 

Erst in der letzten Zeit als der iranische Präsident Ahmadinedschad seine Politik damit begründete, sie werde

die Rückkehr des militanten schiitischen Messias, des 12. Imam (Imam-Mahdi) beschleunigen, berichtete

die Weltpresse eingehender über den islamischen Apokalypsen-Wahn.

 

Auslöser hierfür war vor allem die Rede, die Ahmadinedschad am 17. September vor dem Plenum der Vereinten Nationen

in New Yorck hielt.

Was die heikle Nuklearfrage anbelangt, so brachte seine Ansprache nichts Neues, sondern er wiederholte das

unantastbare Recht des Irans auf „friedliche“ Nutzung von Nuklearenergien. Religionspolitisch muss diese „Predigt“

als eine Sensation angesehen werden, denn der iranische Präsident proklamierte schlichtweg das Ende des agnostischen,

säkularen Zeitalters und stellte das Primat der Aufklärung in Frage.

 

Heute kultiviere die gesamte Menschheit wieder den Glauben an einen einzigen Schöpfergott, sagte Ahmadinedschad.

 

Der Monotheismus sei das Band, das alle Völker zusammenschließe, Glaube und Religion seien auch die einzigen Mittel,

um die anstehenden Weltprobleme zu lösen, denn die Aufklärung und die (westliche) Wissenschaft hätten endgültig versagt.

 

Sie müssten durch „das Wissen, basierend auf der göttlichen Offenbarung“ ergänzt werden, bzw. sich in deren Dienst

stellen. Die Propheten Noah, Abraham, Moses, Jesus und Mohammed hätten dieses „göttliche Wissen“ auf Erden zum

Wohle aller Menschen verkündet.

Der allgemein feststellbare Trend hin zur Religion, das sei, so Ahmadinedschad, die gute Nachricht.

Am Ende seiner Rede kündigte er das Erscheinen des Imam-Mahdis, des schiitischen Erlösers an.

 

Mittlerweile ist die iranische Gesellschaft völlig apokalyptisch durchseucht.

In der jüngsten Ausgabe des deutschen Magazins Spiegel heißt es über den populären Radiosender Dschawan:

„Schon um Viertel nach acht, gleich nach den Frühmachrichten, geht es um die Apokalypse, um das Ende der Welt. […] ‚

Das Ende der Zeiten ist nah’, sagt [der Sprecher].

50 Zeichen, so stehe es geschrieben, würden auf das bevorstehende Weltende hindeuten, 33 habe er bereits erkannt.

Die Männer werden sich kleiden wie Frauen, heiße es in den Büchern. ‚Und? Versinkt diese Stadt nicht in Sittenlosigkeit?’

Der Fluss durch die Heilige Stadt werde austrocknen. ‚Ist nicht der Fluss durch Ghom inzwischen völlig versiegt?’

Genau dazu passe es, dass nun plötzlich alle über die Atombombe redeten – auch ein Zeichen für ‚aschar-esamam’,

das Ende der Zeiten und die Wiederkehr des Mahdi, des zwölften, des verborgenen Imam.“

So wird Ahmadinedschad auch von westlichen Säkularisten als Endzeitfanatiker wahrgenommen:

„Momentan tritt dieser fromme Apokalyptiker fast Tag für Tag irgendwo in seinem Land auf, immer triumphal,

immer umgeben von religiösen Würdenträgern, hohen Offizieren und nationalen Symbolen,

immer enthusiastisch gefeiert […]

Er meldet vor der Geschichte, ‚dass wir den nuklearen Kreislauf durch die Gnade des allmächtigen Gottes und

dank der Anstrengungen unserer Wissenschaftler gemeistert haben.’“ – heißt es im Spiegel.

 

In Palästina übernimmt mit der Wahl der Hamas eine an apokalyptischen Ideologien orientierte Partei

die politische Macht.

 

Artikel 11 der immer noch geltenden Grundsatzerklärung (Hamas-Charta) von 1988 besagt:

 

„Das Land von Palästina ist heiliges, islamisches Besitztum, dass für zukünftige muslimische Generationen bis zum

Jüngsten Tag [!] bestimmt ist.

Keiner kann darauf verzichten, auch nicht auf einen Teil davon, oder es abtreten, auch nicht einen Teil davon.“

 

Die Erklärung beinhaltet außerdem eine platte Verschwörungstheorie von der Weltherrschaft der Juden, die sich expressis verbis

auf die Protokolle der Weisen von Zion bezieht, und eine Missbilligung der säkularen Politik der PLO.

 

Wegen solcher und vieler ähnlicher Statements kommt der amerikanische Religionswissenschaftler David Cook zu dem

Schluss:

„Bei der Hamas im Westjordanland und im Gaza-Streifen handelt es sich eindeutig um eine apokalyptische Gruppe,

wie sich aus ihren Pamphleten und ihrer übrigen Literatur ohne weiteres ergibt.

Ihre Ideologen benutzen in ihrer Propaganda gegen die PLO regelmäßig apokalyptische Motive.

Der Beginn der Intifada 1987 stimmt überein mit einer 80 Jahre alten Vorhersage des Weltuntergangs.“

 

Die traditionelle jüdische Apokalyptik wird an erster Stelle durch radikale Rabbiner der Siedlerbewegung „kultiviert“

und sehr geschickt und suggestiv mit der Geschichte Israels zu einem „modernen“ Endzeit-Wahn verwoben.

 

Während sich der säkulare Zionismus historisch gegen die „religiöse“ Interpretation einer jüdischen Besiedlung

Palästinas stellte, entwickelte sich seit dem 6 Tage Krieg eine religiöse Variante des Zionismus mit messianischen

Zielvorgaben.

„Die religiösen Zionisten der neuen Sorte sind davon überzeugt, dass sie den Willen Gottes erfüllen und das

Kommen des Messias vorbereiten.

Die ‚national-religiösen’ Kabinettsminister, die immer zum moderaten Flügel der Regierung gehörten,

machten einer neuen extremistischen Führung Platz, mit Tendenzen zum religiösen Faschismus.“ –

schreibt der israelische Friedensaktivist Uri Avnery.

 

Zuerst förderte der jetzt im Koma liegende Ariel Scharon diese Bewegung, dann distanzierte er sich davon und begann

damit einige jüdische Siedlungen, insbesondere im Gaza-Streifen, zu schließen.

Seine Krankheit, derzeit ohne Hoffnung auf Genesung, wird heute von jüdischen Fundamentalisten als Gottesgericht

über einen Mann angesehen, der das Heilige Land an die Muslime herschenken wollte. Bei den kurz

bevorstehenden Wahlen gruppiert sich die jüdische Rechte um den Populisten Benjamin Netanjahu,

der wiederum von der christlichen Rechten Amerikas unterstützt wird. „Wie wir gesehen haben, beschäftigen wir uns

hier nicht mit einer Bande verrückter Propheten oder mit einer extremen Minorität am Rande der Gesellschaft,

sondern mit einer dogmatischen Denkschule und einer methodischen Doktrin, die unweigerlich zu einer Politik führt,

welche die Konzepte der Menschen- und Bürgerrechte nicht tolerieren kann, weil ihre Vorstellungen

von der [religiösen] Totalität von Zeit und Raum keinen Platz für Toleranz zulassen.“ –

schreibt der israelische Historiker Uriel Tal über die radikalen jüdischen Siedler.

 

Es scheint so, als würde sich der ganze apokalyptische Wahn in einer Stadt und auf einem Platz verdichten:

in Jerusalem und auf dem Tempelberg.

In den Endzeit-Prophezeiungen aller drei monotheistischen Religionen bilden sie die Hauptbühne und sind

der Erscheinungsort ihres jeweiligen Messias. Aber nicht nur Fundamentalisten sondern auch säkular eingestellte

Politologen und Politiker bezeichnen den Tempelberg als die Akupunkturstelle, von der möglicherweise ein

Weltenbrand ausgehen mag.

 

„Der Tempelberg ist wie ein rauchender Vulkan, der ständig Blasen entlässt und der auszubrechen droht. […]

 

Wenn der Heilige Ort beschädigt wird, fällt die ganze Schande auf Israel zurück und apokalyptisch zerstörerische Kräfte

könnten entfesselt werden.“  -

schreibt die israelische Gruppe Keshev, ein Zentrum zur Verteidigung der Demokratie.

 

Jedenfalls ist das religiöse Weltbild islamischer, christlicher und jüdischer Fundamentalisten mittlerweile so ausschließlich

auf diesen Ort fixiert, dass eine endgültige Befriedung von Jerusalem der Doomsday-Obsession die Zielvorgabe

nähme und das Wahngebilde zum Einsturz bringen würde.

 

Als Indiens größte Rechtpartei (BJP) im Mai 2004 die Wahl verlor und die Macht an die Kongresspartei abgeben musste,

sahen ihre meisten Funktionäre in der Abkehr von den tradierten Werten und den religiösen Inhalten des

klassischen Indiens die Ursache für die Niederlage.

Der Ruf „Zurück zur Basis! Zurück zur Hindutva!“ ist seither zu einem Slogan geworden, unter dem sich heute die

Religiöse Rechte Indiens neu gruppieren will.

 

Die Hindutva ist eine kulturpolitische Bewegung, in der sich die traditionalistischen und militanten Ströme des Landes

sammeln. Sie entstand Ende des 19. Jahrhunderts als Widerstand gegen den britischen Kolonialismus.

Ihre Anhänger orientieren sich an den Heiligen Texten des indischen Kulturkreises, die endzeitliche Visionen

zum Inhalt haben.

 

Dazu rechnet unter anderem der Vishnu Purana.

 

Diese Prophezeiung verkündet, dass der Gott Vishnu als Militanter Messias inkarnieren wird, um die Welt von

den Mächten des Bösen zu befreien.

Ein mörderisches Endzeitgemetzel ist die Folge. Auch das populäre Epos Ramayana enthält apokalyptische Elemente.

Die dort beschriebenen Kriege des Gottes Rama gegen den Dämonen Ravana dienen der Religiösen Rechten Indiens

in den derzeitigen Religionskonflikten mit den einheimischen Muslimen als ideologische Orientierung.

Eine weitere, klassische Schrift der indischen Endzeit-Literatur ist die Mahabharata, insbesondere die darin

enthaltende Bhagavadgita.

Dieses monumentale Epos behandelt an zentraler Stelle das „Kshatriya-Ideal“, den Kult vom „Heiligen Krieger“,

das Hindu-Pendant zum muslimischen „Mujaheddin“ und zum christlichen „Gotteskrieger“.

 

Der „Heilige Krieg“ gegen den Islam wird von der Hindutva seit Jahren „kosmisch“ geführt.

 

So gilt die Religion Mohammeds als das „Böse“ schlechthin und die mittelalterliche Eroberung Indiens

durch die islamischen Reiterheere wird als eine Invasion von „Dämonen“ angesehen.

Erst die Bekehrung oder Vertreibung der Muslime kann der Hindutva mit Hilfe der indischen Götter den Endsieg verschaffen

und das Land in ein „irdisches Paradies“ verwandeln.

Im schlimmsten Fall bedeutet das jedoch den Genozid an der gesamten islamischen Bevölkerung Indiens und

in der Tat werden solche Möglichkeiten eines islamischen Holocausts in ultra-rechten Kreisen der Hindutva offen

ausgesprochen.

 

Die Ambition der Hindutva-Anhänger ist es, das Ahimsa-Prinzip, die Gewaltlosigkeit eines Mahatma Gandhi,

durch das Himsa-Prinzip, die Bejahung von Gewalt, ersetzt.

Die Nähe zum europäischen Faschismus ist in diesem Fall nicht nur metaphorisch zu verstehen.

Die religiöse Rechte Indiens hat in der Mitte des vorigen Jahrhunderts direkte Kontakte zu den Achsenmächten unterhalten

und sich ideologisch aus dem italienischen Faschismus und Nationalsozialismus inspirieren lassen –

ebenso wie umgekehrt. Heute noch gibt es in Indien eine latente, weit verbreitete Hitlerbewunderung,

die sich bis zu dessen Verehrung als göttlicher Avatar hinaufsteigern kann.

 

Obgleich der Buddhismus im Westen als eine Religion des Friedens und der Gewaltlosigkeit glorifiziert wird,

weist auch er seine kriegerisch-apokalyptischen Ideologien auf.

Das prominenteste Beispiel hierfür ist das weltweit durchgeführte endzeitliche Kalachakra-Tantra-Ritual des Dalai Lama.

 

Der heilige Text (das Kalachakra-Tantra), der diesem Ritual zu Grunde liegt, prophezeit eine Letzte Schlacht

zwischen Buddhisten und Muslimen, einen militanten buddhistischen Messias,

den Einsatz ultimativer Waffensysteme, und die Schaffung einer buddhokratischen Weltordnung.

 

Als Gegner des Buddhismus nennt das Kalachakra-Tantra explizit die "Führer" aller  drei monotheistischen Religionen:

"Adam, Henoch, Abraham, Moses, Jesus, der im weißen Gewand [Mani], Mohammed und Mathani [der Mahdi]".

 

Der Text bezeichnet sie als "die Familie der dämonischen Schlangen". Er beschreibt einen Einweihungsweg,

der die Initianten vorbereitet in einem späteren Leben als „Shambhala-Krieger“ im Endzeit-Krieg mitzukämpfen.

Unter modernen Orientalisten, wie den amerikanischen Tibetologen Alexander Berzin und Donald S. Lopez ist deswegen

von einem „buddhistischen Djihad“ bzw. einem  „buddhistischen Armageddon“ die Rede. 

 

Selbst Buddhisten beginnen zunehmend zu fragen, was dieses Ritual des Dalai Lama denn mit der Ursprungslehre

des Buddha zu schaffen hat: „Je mehr ich über das Kalachakra Tantra gelernt habe, umso mehr finde ich es abstoßend

und umso entfernter scheint es mir von den ursprünglichen buddhistischen Lehren sein.

Diese Art apokalyptischer Lehre scheint mehr zu bestimmten Formen des fundamentalistischen Christentums zu passen,

die auf der Johannesapokalypse basieren. Sorry, ich kann das nicht ernst nehmen.“ -

meint Dharmajim, ein orthodoxer Anhänger der Buddha-Lehre.

 

Es waren ebenfalls buddhistische „Armageddon-Mythen“, die zur bisher extravagantesten Ideologie des

religiösen Terrors geführt haben, zum „apokalyptischen Terrorismus“ des japanischen Sekten-Gurus Shoko Asahara.

 

Kaum in der europäischen Öffentlichkeit wahrgenommen wird, dass in Sri Lanka, in Nepal, in Kaschmir, in Bangladesh,

in Birma, in Kambodscha und in Thailand schon seit einigen Jahren ein „Religionskrieg“ zwischen

Buddhisten und Muslimen ausgebrochen ist.

 

Besonders beunruhigend ist die Faszination für Massenvernichtungsmittel in allen Lagern des Fundamentalismus.

Schon von Beginn an hat die Konstruktion, Zündung und Verbreitung von Nuklear-Bomben einen berauschenden

Einfluss auf das apokalyptische Denken religiöser Gruppierungen gehabt. Der Einsatz von A-Waffen ist ein Szenario,

das in keiner „modernen“ Apokalyptik mehr fehlt. Seit den Explosionen der Bomben von Los Alamos,

Hiroshima und Nagasaki werden Zerstörungs-Passagen aus den traditionellen Endzeit-Texten der Religionen als

Beschreibungen eines atomaren Holocausts gedeutet.

 

In der Tat ist in fast allen Heiligen Schriften (in der Hebräischen Bibel, in der Offenbarung des Johannes,

im Koran und in den Hadiths, in der Bhagavadgita, im Ramayana und im Kalachakra-Tantra) von

Diese Passagen werden von den Apokalyptikern als göttliche Legitimation für einen Atom-Krieg herangezogen.

 

Solche atomaren Doomsday-Prophezeiungen sind mehr als ein religiöses Phantasma:

„Die Existenz dieser Waffen verwischt […] die Jahrtausende alten Unterscheidungen zwischen der Phantasie

einer Weltvernichtung (ob von paranoiden Schizophrenen, religiösen Visionären oder auch von ganz normalen

Menschen in ihren Träumen) und der Fähigkeit, diese Phantasie Wirklichkeit werden zu lassen.“ –

schreibt der amerikanische Gewaltforscher Robert Lifton. Heute, nach dem 9/11, sprechen auch

viele säkular eingestellte Kulturologen von der Gefahr eines „apokalyptischen Nuklearismus“.

Der Begriff hat sich mittlerweile eingebürgert.

 

Die apokalyptische Matrix ist ein reiner Wahn, denn obgleich sich die einzelnen fundamentalistischen Religionsströmungen

in ihren Endzeitvisionen und ihrem Absolutheitsanspruch als unversöhnliche Todfeinde gegenüber stehen,

weisen sie doch verwandte Strukturen, Bilder, Szenarien, Dramaturgien, Wertvorstellungen und Sehnsüchte auf.

Jedoch ein Wahnsinn kann durchaus höchst destruktive Realitäten hervorrufen.

„Im schlimmsten Szenario, das keineswegs unwahrscheinlich ist, könnten sich die biblischen Prophezeiungen aus

sich selbst heraus erfüllen. Eiferer von jeder der drei monotheistischen Religionen könnten eine Reaktion von

Schlag, Gegenschlag und Massenvernichtung in Gang setzen.“ – schrieb die Washington Post im Jahre 2003.

 

Trotz der Gefahr, die vom dieser weltweiten apokalyptischen Obsession ausgeht, weigern sich die

etablierten Glaubensrichtungen bisher dieses „heiße Eisen“ adäquat zu diskutieren.

Das religiöse Establishment trifft sich auf zahlreichen interreligiösen Konferenzen, um edle und erbauliche,

aber unverbindlicher Worthülsen auszutauschen, die nicht zu den ideologischen Ursachen vorstoßen,

aus denen ein „Krieg der Religionen“, (bzw. ein „Kampf der Kulturen“) und der „religiöse Terrorismus“ entstehen

und gerechtfertigt werden. Diese Vogel-Strauss-Politik kann jedoch nicht mehr lange andauern.

 

Die Mainstream-Religionen werden schon sehr bald gezwungen sein, zu den Gewaltstellen in ihren

Heiligen Schriften, zu ihren katastrophalen Endzeit-Prophezeiungen, zum militanten Messianismus,

zum Heiligen Krieg und zum Gottesstaat offen Stellung zu beziehen - spätestens dann, wenn die ihre

Machtstellung durch den Fundamentalismus aus den eigenen Reihen selber in Frage gestellt wird.

 

Nicht nur die offiziellen Kirchen, sondern auch der Säkularismus steckt den Kopf in den Sand.

Einstmals aus der Religionskritik entstanden, sucht er heute - konträr zu seiner rebellisch-aufklärerischen Tradition -

ständig in den etablierten Religionen Gesprächspartner und Verbündete gegen den Glaubens-Fanatismus.

Dieser Dialog zwischen Religionsvertretern und Säkularisten (meist sind es Politiker und Medienvertreter) wird

von beiden Parteien in der Sprache des Humanismus geführt, was zur Folge hat, dass sich die Säkularisten

in den von ihnen propagierten, humanpolitischen Werten bestätigt sehen und sich beruhigt in die Institutionen

ihres bis jetzt noch laizistischen Staates zurückziehen, ohne überhaupt mit den eigentlichen Problemfeldern,

aus denen die religiöse Gewaltbereitschaft entsteht, konfrontiert worden zu sein. Irgendwie hat sich unter ihnen

der naive Glaube verbreitet, die offiziellen Kirchen hätten das Fundamentalismus- und Terror-Syndrom theologisch,

dogmatisch und organisatorisch voll im Griff.

 

Die Gefahr religiöser Gewalt stammt aber, wir wiederholen es zum Schluss noch einmal, aus den Religionen selbst,

aus ihrer blutigen Vergangenheit, insbesondere jedoch aus ihren Heiligen Texten. Dies aufzuzeigen, zu analysieren

und zu bewerten ist eine vordringliche Aufgabe des Humanismus. Dieser muss sich heute, will er überhaupt

überleben, als ein Kulturentwurf präsentieren, der das Erlösungsbedürfnis der Menschen von einer verkehrten Welt

befriedigen kann.

 

 

© Victor & Victoria Trimondi

 
                                                 Veröffentlichung ( Abdruck ) mit freundlicher Genehmigung des Ehepaares Trimondi.
 

                         

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